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Rechtsgebiete / Denic haftet als Drittschuldner für vereitelte Domainrechtepfändung

Die folgende Presseerklärung zum Thema "Denic e. G. haftet als Drittschuldner für vereitelte Domainrechtepfändung" erschien auch in der juristischen Online-Publikation MiKaP 2011/03, Seite 42 ff.


Presseerklärung von Rechtsanwalt Papenhausen[1] zum Urteil des LG Frankfurt a. M. vom 09.05.2011

Die Denic – als Registrierungsstelle für die .de-Domains – wurde vom LG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.05.2011, Az. 2-01 S 309/10) [2] zu Recht als Drittschuldnerin eingestuft[3] und haftet demnach auch auf Schadensersatz, den sie durch ihre Weigerung, das ausdrückliche Verfügungsverbot des Vollstreckungsgerichts über die gepfändeten Domainrechte zu beachten, verursacht hat[4].

Das Landgericht (am Sitz der Denic in Frankfurt am Main) hat in diesem wichtigen Präzedenzfall mit dem Urteil vor allem Rechtssicherheit im Bereich der Domainpfändung geschaffen.

Eine Revision hat das Landgericht nicht zugelassen.

Der für den Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt skizziert sich wie folgt:

Der (spätere) Kläger bestellte 2007 im Internet bei der Firma Web. S. AG[5] aus der Schweiz einen Philips-Fernseher für Euro 1.148,90 und bezahlte diesen Betrag per Vorkasse. Die Web. S. AG lieferte das Gerät jedoch nicht aus. Nach entsprechenden anwaltlichen Mahnungen wurde sodann das gerichtliche Verfahren gegen die Firma betrieben und ein vollstreckbarer Titel gegen die Web. S. AG erwirkt. Sodann wurden die Rechte der Firma Web. S. AG an ihrer Domain gepfändet.

Der gerichtliche Pfändungsbeschluss wurde der (für .de-Domain zuständigen und später beklagten) Denic am 02.09.2008 zugestellt. Am 10.09.2008 wurde der Erhalt dieses Beschlusses von der Denic bestätigt; weiter hat die Denic jedoch nichts veranlasst und schlicht mitgeteilt, sie sei gar nicht Drittschuldnerin. Am 25.09.2008 löschte die Denic trotz Verstrickung die Domain. Die Domain wurde nachfolgend auf einen Dritten eingetragen. Die vom Kläger betriebene Versteigerung der Domainrechte im Rahmen der Verwertung scheiterte sodann, da der Vollstreckungsschuldner nicht mehr als Inhaber der Domain bei der Denic eingetragen war, sondern ein Dritter[6].

Das Bemerkenswerte an der Vorgehensweise der Denic ist, dass die Denic seit mindestens sechs Jahren derart verfährt[7] und damit über Jahre hinweg ein immenses Haftungspotential geschaffen hat, welches sie (mit nicht all zu hohem Aufwand) gänzlich hätte vermeiden können:

Es bedurfte nur des Eintrages eines sog. Disputes o. ä. Sodann hätten die Rechte des Schuldners an der gepfändeten Domain nicht mehr auf Dritte übertragen werden können und eine Verwertung durch den Gerichtsvollzieher wäre entsprechend erfolgreich gewesen.

Die Denic hätte durch einen Dispute-Eintrag, d. h. durch eine Sperrung, wie die Denic im gerichtlichen Verfahren selbst einräumte, ohne weiteres verhindern können, dass die Domainrechte auf eine andere Person übergingen. Die Denic ist auch die Einzige, die gepfändete Domainrechte sichern kann. Einen Dispute-Eintrag o. ä. hatte sie nach Zustellung des gerichtlichen Pfändungsbeschlusses jedoch unstreitig nicht getroffen. Auch hat sie nach der Beschlusszustellung unstreitig keine anderen Vorkehrungen vorgenommen, damit die Vollstreckung der Domainrechte nicht vereitelt werden kann. Vielmehr hat sie letztendlich die Domain an einen Dritten weitergegeben und damit die Vollstreckung, hier die Versteigerung durch den Gerichtsvollzieher, verhindert.[8]

Die bisherige Vorgehensweise der Denic ist auch aus anderen Gründen nicht nachvollziehbar:

Die Schadensersatzpflicht dürfte sich hier neben § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO[9] (auch) aus den §§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit entsprechenden Schutzgesetzen (ggf. auch §§ 288, 27 StGB)[10] sowie aus § 826 BGB (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) ergeben, da die Denic die vom Kläger gepfändeten Rechte an der Domain gemäß ihrem Schreiben vom 10.09.2008, das auf den gerichtlichen Pfändungsbeschluss erfolgte, ausdrücklich bewusst nicht gesichert und sodann an einen Dritten weitergegeben hat. Das Verfügungsverbot wurde daher bewusst und gewollt missachtet[11] und eine Vereitelung der Zwangsvollstreckung[12] verursacht.

Als Konsequenz wird die Denic nunmehr prüfen müssen, ob und ggf. in welcher Höhe Rückstellungen[13] für weitere ungewisse Verbindlichkeiten, die aus ihrer bisherigen Praxis resultieren, gebildet (und ggf. zusätzlich erläutert[14]) werden müssen.

Bereits im Jahre 2005 hatte der BGH im Übrigen festgestellt, dass Domainrechte gepfändet werden können[15]:

Nach dem BGH stellen die schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber einer Internet-Domain gegenüber der Denic oder einer anderen Vergabestelle zustehen, ein Vermögensrecht i. S. v. § 857 Abs. 1 ZPO dar[16].

Der BGH führt hierzu weiter aus, dass sich die Inhaberschaft an einer Internet-Domain auf die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche gründet, die dem Inhaber der Domain gegenüber der Vergabestelle, d. h. gegenüber der Denic, aus dem Registrierungsvertrag zustehen[17]. Diese Ansprüche sind nach dem Beschluss des BGH Gegenstand der Pfändung nach § 857 Abs. 1 ZPO.

Treffend weist Stadler[18] darauf hin, dass die Haltung der Denic kaum auf rechtlicher Überzeugung beruhen dürfte, und stützt sich dabei auf die Befürchtung der Denic eines deutlichen Anstiegs von Domainpfändungen, was ggf. mit einem erhöhten Bearbeitungsaufwand verbunden wäre. Stadler sieht hierin den Grund der Vorgehensweise der Denic: Es werde offenbar versucht, durch das Bestreiten der Drittschuldnereigenschaft die Gläubiger davon abzuhalten, die Denic im Antrag auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses[19] als Drittschuldnerin zu bezeichnen[20].

Die Denic hat jedoch keine Sonderstellung[21] in Bezug auf andere Drittschuldner inne. Selbstverständlich verursacht die Drittschuldnereigenschaft einen gewissen Aufwand. Der Aufwand ist jedoch wesentlich höher etwa bei Lohn- und Gehaltspfändungen für die jeweiligen Arbeitgeber als Drittschuldner.

Die Denic wird ihre Haltung spätestens jetzt ändern müssen bzw. geändert haben, um (auch für sich) Rechtssicherheit im Bereich der Domainrechtepfändung herzustellen und kein weiteres Haftungsrisiko zu schaffen.

Der Pfändung von Domainrechten wird in Zukunft immer größere Bedeutung zukommen. Der BGH[22] hatte bereits im Jahre 2005 die ersten Weichen für die Pfändung gestellt.

Im vorliegenden Fall hatte die Domainrechte-Pfändung zudem den positiven Nebeneffekt, der betrügerisch vorgehenden Firma Web. S. AG[23] aus der Schweiz das Handwerk zu legen, indem die Rechte an der bekannten Web-Plattform der Firma, die sie als Grundlage ihrer Handlungen benutzte, gepfändet wurden:

Ihr wurde sozusagen die Handlungsbasis entzogen.



[1] Der insbesondere auf das Medienrecht spezialisierte Autor, Rechtsanwalt Jochen Papenhausen, ist der Herausgeber der Online-Veröffentlichung MiKaP und Fachanwalt für IT-Recht sowie Fachanwalt für Urheber- & Medienrecht.

[2] LG Frankfurt am Main, Urteil vom 09.05.2011, Az. 2-01 S 309/10, veröffentlicht unter MiKaP 2011/03, Seite 33 (in dieser Ausgabe), dauerhafter Link zum Urteil: http://www.mikap.de/mikap_2011_03.pdf.

[3] So auch Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., 2010, Rdnr. 1645a; Stadler, MMR 2007, 71; Hanloser, CR 2001, 344 (345); Plaß, WRP 2000, 1077 (1084); Gravenreuth, JurPC Web-Dok. 66/2006, Abs. 19.

[4] A. A.: 1. Instanz: AG Frankfurt am Main, Urteil vom 22.10.2010, Az. 32 C 682/10-18.

[5] Der Firmenname wird hier verkürzt wiedergegeben.

[6] Nunmehr die A. Consulting Ltd., West Yorkshire, Großbritannien.

[7] So bereits ihre Ansicht zum Pfändungsbeschluss des AG Achern, Beschluss vom 23.06.2005, Az. 1 M 526/05 (2005-169Zi).

[8] Zur Drittschuldnereigenschaft der Denic vgl. LG Mönchengladbach, Beschluss vom 22.09.2004, Az. 5 T 445/04, Rpfleger 2005, 38 f., JurBüro 2005, 47 f., MMR 2005, 197; AG Bad Berleburg, Beschluss vom 16.05.2001, Az. 6 M 576/00, Rpfleger 2001, 560, CR 2003, 224; AG Langenfeld, CR 2001, 477; AG Achern, Beschluss vom 23.06.2005, Az. 1 M 526/05 (2005-169Zi); AG Geislingen, Beschluss vom 04.08.2005, Az. 3 M 1908/05 (2004-416Me); AG Nordenham, Beschluss vom 07.02.2007, Az. 6 M 73/07 (2006-1103Me); AG Lahnstein, Beschluss vom 26.11.2008, Az. 7 M 1194/08 (2009-9261Zi); Literatur/Kommentare: Stadler, MMR 2007, 71; Beyerlein, EWiR 2005, 811-812; Boecker, MDR 2007, 1234; Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 857, Rn. 12 c; Musielak/Becker, ZPO, 7. Aufl. 2009, § 857 Rdn. 13a; Stein/Jonas-Brehm, ZPO, 22. Aufl., § 857 Rdn. 80; s. a. BGH, Beschluss vom 05.07.2005, Az. VII ZB 5/05, WM 2005, 1849; BVerfG, Beschluss vom 24.11.2004, Az. 1 BvR 1306/02, NJW 2005, 589; LG Zwickau, Rpfleger 2010, 34f.

[9] Wie das LG Frankfurt am Main angenommen hatte, vgl. Urteil vom 09.05.2011, Az. 2-01 S 309/10, MiKaP 2011/03, Seite 37 (in dieser Ausgabe), dauerhaft abrufbar unter www.mikap.de.

[10] §§ 288, 27 StGB: Beihilfe zum Vereiteln der Zwangsvollstreckung.

[11] Auf diese nicht nachvollziehbare Vorgehensweise wurde die Denic bereits im Jahre 2005 hingewiesen, eine Änderung ihrer Praxis ist jedoch offensichtlich erst jetzt erfolgt.

[12] So ausdrücklich auch das LG Frankfurt am Main, Urteil vom 09.05.2011, Az. 2-01 S 309/10, MiKaP 2011/03, Seite 37 (42) – in dieser Ausgabe.

[13] Vgl. § 17 Abs. 2 Genossenschaftsgesetz (GenG), § 249, § 253 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB).

[14] Gemäß § 17 Abs. 2 GenG, § 285 Satz 1 Ziffer 12 HGB im Anhang zur Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung als sonstige Pflichtangabe.

[15] Eine solche Pfändung liefe jedoch ins Leere, wenn der Drittschuldner die Pfändung nicht beachtet und damit dem Vollstreckungsschuldner die Möglichkeit einräumt, die Rechte an der Domain (etwa nach einem Verkauf) auf Dritte zu übertragen.

[16] Vgl. BGH, Beschluss vom 05.07.2005, Az. VII ZB 5/05, WM 2005, 1849.

[17] Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 24.11.2004, Az. 1 BvR 1306/02, NJW 2005, 589.

[18] Stadler, MMR 2007, 71 (73).

[19] Ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wird nicht erlassen, wie Stadler, MMR 2007, 71 ff. vermutlich versehentlich schreibt, da im Rahmen der Pfändung von Domainrechten keine Überweisung, sondern lediglich eine Pfändung erfolgt.

[20] Stadler, MMR 2007, 71 (73).

[21] Wie auch Stadler treffend feststellt, vgl. Stadler, MMR 2007, 71 (73).

[22] Vgl. BGH, Beschluss vom 05.07.2005, Az. VII ZB 5/05, WM 2005, 1849.

[23] Der Firmenname wird hier verkürzt wiedergegeben.


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